Ein wirkliches Königskind
(Kamille)
Ein wirkliches Königskind
"Du unscheinbare Schöne am Feldesrand, von der ich als Erzähler nichts zu sagen fand. Stehst schweigend vor Wonne in der Frühlingssonne und siehst weit ins Harzer Land. Mir ist's, als schüttelst du dich im Wind und lachst mich aus, du Gotteskind, weil ich einfach keine Sage find', die dich deiner Pracht besingt!"
Da hielt ich die Nase dicht über dich und mir war's, als liefe die Zeit zurück. Ich sah König Heinrich vom Vogelherd; sah auch, wie stetig sein Herz sich erschwert, denn wem sollt er sein Reich nur vermachen? Vier Söhne sind's und der alte Brauch, jedem ein Stück Land zu lassen. Doch war'n ja erst die Hunnen besiegt, ein deutsches Reich in Form gekriegt, drum wollt' er es anders anfassen: Jeder der Söhne sollt' sich gleich beweisen, auf der Suche nach Krönungsinsignien verreisen und bald kamen sie nach Quedlinburg zurück. Thankmar brachte ein blutdürstend' Schwert; Heinrich ein Zepter, das die Ordnung verkehrt; Brun die Krone, die ihm bisher verwehrt, nur lag Ottos Wegen kein Glück! "Lausch", sagt die Kamille, "was dann geschah: Herr Otto saß am Feldesrand der Vaterstadt nah; betrübt kam er doch mit leeren Händen, nur ich konnt' ihm noch helfen, das Blatt zu wenden, zum Glück, dass gerade Johannistag war!!" Du unscheinbare Schöne am Feldesrand, wie mein Herz deine sinnlichen Worte fand und ich träumend in deinem Kelch versank, da sah ich Herrn Otto vorm König stehen, mit einem Sträußlein tausendschön, der vom Vater bekam ein Lächeln zum Dank. Da erhob sich Herr Heinrich im Krönungssaal, das Volk kniete nieder mit einem Mal, wie der König sein hohes Wort erhob: "Herrn Otto, der die Kamille gebracht, die unser Gott uns zum Heiland gemacht, sei das Königreich zum Lohn und unser Lob!" So kam es dann, dass Heinrich I. Seinen Lieblingssohn Otto (wohl wegen einem Sträußlein Kamille) zum Nachfolger und zum Alleinherrscher erklärte. Wer's nicht glaubt: Schon im alten England trugen die zukünftigen Könige bei der Krönungszeremonie die als heilig geltende und heilbringende Kamille bei sich. In Ägypten wurde ihre sonnenförmige Blüte gar als Blume des Sonnengottes Ra verehrt!
Kräuterwissen
Einer Legende nach sollen die Blüten verwunschene Soldaten sein, die zu viel Leid auf sich geladen haben. Eine andere Sage erzählt, dass junge Mädchen niemals an einer Kamille vorübergehen sollten, ohne sich zu verbeugen. Diese bescheidene Demut vor dem "Mutterkraut" würde zu Schönheiten und gebärfreudiger Kraft führen. Unsere germanischen Vorfahren nutzen diese Heilpflanze wohl als eine ihrer heiligsten Pflanzen für Räucherungen während der Sommersonnenwende, wobei ein süßlich, warmkrautiger Duft beim Verbrennen entsteht. Dieser Qualm würde ruhig und ausgeglichen machen, die dunklen Nebelschleier aus dem Geist vertreiben und auch die Schatten von der Aura nehmen - ein segenreicher Effekt.
In der Volksmedizin galt die Kamille als Allheilmittel, und obschon Hildegard von Bingen es nicht einmal für nötig hielt, sie zu erwähnen, lobt das "Leipziger Kräuterbuch" (1435) ihre Kraft über alle Maße: "Sie löst Verhärtungen auf und macht weich; was sie auflöst, wird fließend gemacht. [...] Sie mildert die Schmerzen, erweicht harte Glieder, macht Verdickungen der Haut sanft und vertreibt alle Fieber, die durch cholerische Feuchtigkeiten entstehen." Die Kamille würde auch nach Maria Treben Entzündungen hemmen, beruhigend, schweißtreibend und krampfstillend wirken; Durchfall und Magenleiden, Ausschläge, Fieber, Wund- oder Zahnschmerzen und vieles mehr heilen.
Tee
Als Tee angwendet 1 gehäuften TL auf 1 Tasse heißes Wasser, lassen es 2-3 Minuten lang ziehen, seihen die Kräuter ab und genießen mehrere Tassen am Tag.
Umschlag
Für die Heilung unterstützenden Umschläge1 Handvoll Kamillenblüten, die in einer Schüssel gegben wird und mit heißem Wasser übergießen und 3-4 Minuten ziehen lassen. Anschließend wird ein Baumwolltuch im Kamillesud getränkt und auf die betroffene Stelle aufgelegt.
(aufgeschrieben von Carsten und Sabrina Kiehne)
